Ein Andenken

Wer war Kurt Weill?

Kurt Weill gilt als einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Geboren 1900 in Dessau, zog es ihn zum Studium in die boomende Künstlermetropole Berlin. Während seiner Jahre in Deutschland schuf er gemeinsam mit Bertolt Brecht bedeutende Werke wie „Die Dreigroschenoper“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. 1933 ging er ins Exil. Zunächst nach Paris, später nach New York. In den USA feiert er mit Werken wie „Knickerbocker Holiday“ und „Lady in the Dark“ große Erfolge. Kurt Weill stirbt 1950 in New York.

Weills Leben im Überblick

Empfehlungen für Literatur & Film

Tauchen Sie noch tiefer in Kurt Weills Leben ein. Die folgenden Empfehlungen sind der ideale Ausgangspunkt dafür-

Kurt Weill

Musik und musikalisches Theater. Gesammelte Schriften. Mit einer Auswahl von Gesprächen und Interviews sowie einer CD „Kurt Weill spricht und singt“. Mainz 2000
Briefe an die Familie 1914-1950. Stuttgart 2000
Sprich leise, wenn Du Liebe sagst. Der Briefwechsel Kurt Weill / Lotte Lenya. Köln 1998
Briefwechsel mit der Universal-Edition. Stuttgart 2002

Sekundärliteratur

Drew, David: Kurt Weill. A Handbook. London 1987
Farneth, David: Lotte Lenya. Eine Autobiographie in Bildern. Stuttgart 1999
Farneth, David / Elmar Juchem / Dave Stein: Kurt Weill. Ein Leben in Bildern und
Dokumenten. Berlin 2000
Hinton, Stephen: Weill’s Musical Theatre. Stages of Reform. Berkeley 2012.
Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Band 6. München 1996
Schebera, Jürgen: Kurt Weill. Eine Biographie in Bildern, Texten und Dokumenten. Leipzig
und Mainz 1990
Schebera, Jürgen: Kurt Weill konzis. Mainz 2016

Film

Die 3 Groschenoper. Deutschland 1931, Regie: G. W. Pabst, Hauptrollen: Rudolf Forster,
Carola Neher, Lotte Lenja. Videokassette British Film Institute London 1998
Happy End. DDR-Fernsehen 1978, Hauptrollen: Renate Richter, Wolf Kaiser, Inge Keller.
DVD Icestorm 2018
Kurt Weill. Leben und Werk. Ein biographisch-musikalischer Film von Sven Düfer. Salzgeber
Medien, Berlin 2001, Videokassette ebendort.
Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm. Regie: Joachim Lang, Hauptrollen: Tobias
Moretti, Lars Eidinger, Robert Stadlober. Südwestrundfunk SWR 2018, DVD ebendort

Im Gespräch mit Dr. Jürgen Schebera

Dr. Jürgen Schebera:
Dem stimme ich überhaupt nicht zu. Ganz im Gegenteil: Kurt Weill hat als Komponist einen sehr
beständigen Weg verfolgt. Um dies zu verstehen, muss man sich ein wenig näher mit seiner
Biographie befassen.
In den Dessauer Jahren hat er bereits Jugendkompositionen von teils erheblicher Reife geschaffen.
Als er nach dem Notabitur in Dessau nach Berlin geht, um dort an der Hochschule für Musik bei
Engelbert Humperdinck zu studieren, merkt er bereits nach zwei Semestern, also im Sommer 1919,
dass er dort zwar das Kompositionshandwerk lernt, aber nichts Neues aufnehmen kann. Weill aber
war auf der Suche nach neuen Wegen.
Dies – in Verbindung mit der schweren Nachkriegskrise, in deren Folge seinem Vater, dem Kantor
der jüdischen Gemeinde in Dessau, die Stelle gekündigt werden musste, bewegt ihn dazu, das
Studium abzubrechen und stattdessen zum Familienunterhalt beizutragen.
Weill wird daraufhin für eine halbe Spielzeit Korrepetitor am Dessauer Friedrich-Theater. Hier
bereitet er unter anderem die Sänger vor und sammelt erste praktische Erfahrungen im abendlichen
Opernbetrieb.
Da er sich jedoch mit Generalmusikdirektor Hans Knappertsbusch verkracht, nimmt er bald darauf,
im September 1919, eine Stelle als Kapellmeister in Lüdenscheid an, bei einem gerade gegründeten
kleinen Provinztheater. Hier steht er nun erstmals am Abend selbst am Dirigentenpult und ist zudem
sowohl verantwortlich für die Probenarbeit mit Orchester, Sängern und Chor wie für die
Einrichtung des Notenmaterials für das bescheiden besetzte Orchester. Diese Tätigkeit stellt
entscheidende Weichen, hier lernt Weill nun alle Facetten des musikalischen Theaters von der Pike
auf und trifft schon nach wenigen Monaten für sich die Entscheidung, dass das musikalische
Theater – er spricht immer von musikalischem Theater statt Musiktheater – fortan seine
„eigentliche Domäne“ sein solle. Und dies setzt er konsequent auf dem gesamten weiteren
Lebensweg um.

Weill liest während dieser Zeit in der Zeitung, dass Ferruccio Busoni, der als Pazifist die Jahre des
ersten Weltkrieges in der Schweiz verbracht hatte, nach Berlin zurückgekehrt ist und dort eine
Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste unterrichten wird. Daraufhin schickt er

Busoni eine Mappe mit Noten und wenig später nimmt ihn dieser in seine Meisterklasse auf.
Zwischen Kurt Weill und Busoni entwickelt sich eine enge Beziehung und Weill verehrt seinen
„Meister“ ein Leben lang. Später sagte er einmal: „Ohne Busoni wäre ich nicht das geworden, was
ich geworden bin . . . ohne Busoni hätte es nicht ‚Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny‘
gegeben.“
Weill schrieb sich fortan die Erneuerung der Oper auf die Fahne.
Im Jahre 1926 wird sein Erstling „Der Protagonist“ in der Dresdner Semperoper uraufgeführt.
Dieses Stück ist deutlich den Opernwerken Busonis verpflichtet.
Auf der Suche nach erstrangigen Textautoren hatte Weill 1925 über einen Berliner Dirigenten den
Dramatiker Georg Kaiser kennengelernt, dessen Bühnenstück „Der Protagonist“ die beiden in den
Folgemonaten zum Operneinakter umgestalteten. Dass diese beiden Personen zusammentrafen, war
einem Zufall zu verdanken, ohne den es diese Oper und die folgende weitere Zusammenarbeit
Weill-Kaiser wohl nicht gegeben hätte.

Genau solch ein Zufall markiert zwei Jahre später den Beginn der Zusammenarbeit mit Bertolt
Brecht. Im Frühjahr 1927 erhält Weill vom Musikfest Baden-Baden den Auftrag für eine
Kurzoper. Die Suche nach einem geeigneten Libretto gestaltet sich schwierig, bis er in einer
Buchhandlung Brechts Gedichtband „Hauspostille“ findet, in dem er auf fünf „Mahagonny-
Gesänge“ stößt. Seinem Verlag teilt er tags darauf mit: „Daraus kann ich ein Songspiel machen!“
Hätte Weill also diesen Gedichtband nicht gefunden, dann wäre es wohl zu keiner Zusammenarbeit
mit Brecht gekommen und es gäbe wohl auch „Die Dreigroschenoper“ nicht!
So aber fanden Komponist und Dichter zusammen, mit dem Songspiel „Mahagonny“ begann eine
vierjährige Zusammenarbeit mit Brecht, es entstanden neuartige musikalische Werke wie „Der
Lindberghflug“, „Der Jasager“ und als opus magnum die epische Oper „Aufstieg und Fall der Stadt
Mahagonny“ – ebenso wie „Die Dreigroschenoper“ ein Jahrhundertwerk.
Dann kommt Hitler. Weill gehörte wie viele andere Intellektuelle seiner Zeit zu den Künstlern, die
lange Zeit sagten: „Ein solcher Mensch kann niemals Reichskanzler werden!“ In der Nacht des
Reichstagsbrands aber wird er von einem Journalisten gewarnt, dass auch er bereits auf der
schwarzen Liste der Nazis stünde, woraufhin er nach Frankreich flieht.

Das französische musikalische Theater ist ganz anders, als Weill es kennt. Er erhält allerdings
zunächst einen ganz anderen Auftrag, der ihn sehr ehrt: Der berühmte Regisseur Max Reinhardt,
jetzt in Österreich lebend, soll in New York ein großes Massenspiel über die Geschichte des
jüdischen Volkes auf die Bühne bringen. Er verpflichtet Weill für die Musik und Franz Werfel als
Textautor. Gemeinsam entsteht so „Der Weg der Verheißung“. Damit kann der Komponist nun zu

den Wurzeln seines Volkes wie auch der jüdischen liturgischen Musik zurückkehren. Als die New
Yorker Produktion näher rückt, verlässt das Team Reinhardt/Werfel/Weill – nebst Lotte Lenya –
Anfang September 1935 per Dampfer Frankreich und reist in die USA.
Ich bezeichne dieses Frankreich im Übrigen als ein Zwischenspiel für Weill. Hier kann er vor allem
seine Fähigkeit weiterentwickeln, ein für ihn zunächst fremdes populäres musikalisches Idiom sehr
rasch zu verinnerlichen und in seine eigene Musik zu integrieren. So geschehen in Berlin, wo er
aktuelle Tanzrhythmen wie Foxtrott und Tango, ebenso Elemente des Jazz in seine Partituren
integriert hat. Und so jetzt geschehen in Paris, wo er sich sehr rasch das Muster des französischen
Chansons erarbeitet. Schon nach vier Monaten entsteht so Weills erstes Chanson „Je ne t’aime pas“,
das ein großer Erfolg wird. Weitere sollten alsbald folgen.
Zurück zur Ankunft Weills in den USA. Er fühlt sich dort nicht als Emigrant und beschließt, einen
totalen Bruch mit Deutschland zu vollziehen. Er will mit diesem Land nichts mehr zu tun haben, in
dem er von den Nazis geschmäht und verunglimpft, sein jüdisches Volk zunehmend verfolgt wird.
Amerika soll fortan seine neue Heimat sein.
Wie aber stand es 1935/36 in den USA um das musikalische Theater? Eine amerikanische Oper gab
es noch nicht, in den wenigen großen Häusern liefen fast ausnahmslos in musealen Produktionen
italienische und französische Werke des 19. Jahrhunderts. Das einzige lebendige musikalische
Theater, das Weill vorfindet, ist die Szene des Broadway. Dort laufen, meist mit großem Erfolg,
seichte Musical Comedies, in denen sich oft sehr gelungene Songs mit größtenteils läppischer
Handlung abwechseln. Aber Weill sieht zugleich auch ein aufgeschlossenes und neugieriges
Publikum. Und damit ein Feld für sich: Hier ist Erneuerung angesagt, und daran will er fortan
arbeiten – wie in seiner alten Heimat Europa auf dem Feld der Oper.
Weill erarbeitet sich sehr rasch das Muster des amerikanischen Songs, er findet 1937 mit Maxwell
Anderson einen der führenden Dramatiker der USA als Textautor, gemeinsam entsteht das im
Herbst 1938 uraufgeführte Stück „Knickerbocker Holiday“, Weills erfolgreiche erste Premiere am
Broadway, viele weitere sollten folgen. In der amerikanischen Musikgeschichtsschreibung ist man
sich heute einig, dass damit der Schritt von der seichten Musical Comedy hin zum Musical Play,
also einem Stück mit durchgearbeiteter Handlung, in dem die Musik ihre Rollen mit Songs,
Ensembles und Chören übernimmt, vollzogen ist. An dieser Weiterentwicklung hat Kurt Weill einen
wesentlichen Anteil.

Nein, er passt sich nicht an! Er bleibt stets Erneuerer. Er schaut, was er vorfindet und geht daran,

das vorgefundene Muster zu erneuern. Dieser Intention bleibt er ein Leben lang treu.
Bereits nach Ende der Zusammenarbeit mit Brecht sagt er: „Ich habe mit diesem Weill-Brecht-
Songstil nun alles erreicht, was ich erreichen konnte, und werde jetzt weitergehen.“ Das gleiche
geschieht nun Mitte der 1940er Jahre auch am Broadway. Der Komponist ist überzeugt, dieses
Publikum sei nun auch bereit, nach dem Musical Play eine opernhafte Form anzunehmen, die er
Broadway Opera nennt. So entsteht 1946 gemeinsam mit Elmer Rice (Buch) und Langston Hughes
(Songtexte) Weills amerikanisches opus magnum „Street Scene“. Die dramatische Handlung spielt
rund um ein typisches New Yorker Mietshaus mit Bewohnern verschiedenster Herkunft, jetzt im
melting pot New York vereint lebend. Das Stück wird ein großer Erfolg.
Weills letztes Werk für den Broadway – bevor er Anfang April 1950 unerwartet und viel zu früh
verstarb – war, wieder gemeinsam mit Maxwell Anderson, die Musical Tragedy „Lost in the Stars“,
eine Apartheid-Geschichte aus Südafrika.

Anfänglich stellte sich ihm ein Riesenproblem. Er kommt also in New York an und muss feststellen,
dass die ganze moderne Musik der 1920er-Jahre und die europäischen Komponisten, auch er selbst,
in New York so gut wie unbekannt sind. Nach vier Wochen veranstalten Freunde einen Weill-
Abend, zu dem sie diverse Musikkritiker und Produzenten einladen. Lotte Lenya singt und Weill
begleitet sie am Klavier. Es kommen an die vierzig Leute, von denen die Hälfte in der Pause wieder
geht. Weill muss also erkennen, dass er in New York mit seiner europäischen Musik den
Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Zu dieser Zeit ist im Hause Weill/Lenya sozusagen
Schmalhans Küchenmeister, denn die Nazis haben wie bei allen Emigranten die Konten des
Komponisten eingefroren. Die beiden leben in einem sehr kleinen Apartment und es geht erst
bergauf, als Weill eine engagierte Schauspieltruppe kennenlernt, das „Group Theatre“, und ihnen
vorschlägt, gemeinsam etwas mit Musik zu machen, was ihm eine erste mittlere Gage einbringt.
Durch die Uraufführung des Weill-Werfelschen Bibelspiels 1938 mit 1500 Mitwirkenden, das jeden
Abend ausverkauft ist, kommt dann ein wenig mehr Geld in die Kasse. Doch richtig Geld verdient
er erst mit „Knickerbocker Holiday“. Und „Lady in the Dark“ bringt ihm ab 1941 dann sehr viel
Geld.
Weills Entschluss, Amerikaner zu werden, wird acht Jahre nach Ankunft in den USA endgültig
umgesetzt, als er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhält. Ebenfalls interessant ist, dass er
und seine Frau in New York sehr bald beschlossen haben, kein Deutsch mehr zu sprechen, was
nochmals die Ernsthaftigkeit dieses Entschlusses unterstreicht.

Um auch einen Eindruck von Weill als Privatmensch, abseits der Musik, zu bekommen: Seine
Frau Lotte Lenya und er lassen sich in Deutschland scheiden, dennoch kommt sie mit ihm
nach New York und die beiden heiraten später ein zweites Mal. Dies ist doch recht
ungewöhnlich. Wie würden Sie die Beziehung der beiden beschreiben?

Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen einmalige Beziehung.
Lotte Lenya, geboren als Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer, aus ärmsten Verhältnissen in
Wien stammend, ging als Vierzehnjährige nach Zürich zu einer Tante und lernte dann dort Ballett
und Schauspiel. Ihr Mentor inspirierte sie zu ihrem Künstlernamen. Da Berlin damals über Nacht
zur Kunstmetropole wurde, ging sie 1921 dorthin und ist zunächst einmal mehrere Jahre auf
Wartestation. Irgendwann bekommt sie eine kleine Rolle in einem Schmierentheater in Pankow.
Und dann geschieht ein großer Zufall, denn diese Aufführung besucht der berühmte Dramatiker
Georg Kaiser. Der ist von der Schauspielerin angetan, sucht sie nach der Aufführung in ihrer
Garderobe auf und fragt, ob sie nicht Lust hätte, zu ihm raus nach Grünheide zu ziehen und sich um
seine beiden halbwüchsigen Kinder zu kümmern. Sie nimmt den Job nur allzugerne an.
Weill und Lenya lernen sich also im Herbst 1924 im Hause Kaisers in Grünheide kennen und es
funkt sofort. Und das, obwohl sie doch zwei sehr unterschiedliche Charaktere waren: Zum einen
Weill, ein sehr in sich gekehrter, nicht spontaner und sehr ernsthafter Mensch mit dicker Brille,
oftmals dunklem Anzug und Krawatte. Und dazu Lenya, die bereits alle Sphären des Lebens hinter
sich hat, mit einem alkoholsüchtigen Vater, mit einem sehr ausschweifenden Leben in Zürich und
mit sexuellen Beziehungen zu beiden Geschlechtern. Im Januar 1926 heiraten die beiden.
Weill ist fasziniert von ihrer hohen und reinen Sopranstimme. Diese Stimme im Ohr, komponiert er
in der Folgezeit die Songs auf Brechts Texte. Während dort „schmutzige“ Geschichten von Whisky,
Goldgräbern, Bordellen und Verbrechen erzählt werden, erhebt sich darüber „engelsrein“ der
Gesang einer Polly oder einer Jenny. So ist Lenya zugleich Weills Frau wie Muse.
Sie verzeihen sich gegenseitig ihre Seitensprünge und wussten immer, dass sie zusammengehören.
1932 verliebt sie sich bei einem Wiener Gastspiel in einen Tenor, zieht mit ihm schließlich an der
Riviera herum, hält aber dennoch engen Briefkontakt zu Weill. Die Scheidung erfolgt erst, als die
Nazis an der Macht waren und Weills Konten eingefroren wurden. Weill hatte Lenya nämlich ein
Haus in Kleinmachnow geschenkt und durch die Scheidung konnte sie es als Nichtjüdin behalten.

Genau. Die Scheidung war ein Kalkül materieller Art. Die Beziehung der beiden aber blieb eine

unikate Beziehung. In New York heiraten sie dann zum zweiten Mal.

Ich denke, dass Dessau für das Kurt Weill Fest der ideale Ort ist. Wo soll so ein Fest denn sonst
stattfinden, wenn nicht in Dessau als Geburtsstadt? Weill verbrachte immerhin die gesamte Zeit bis
zu seinem Abitur dort und auch die Synagoge, in der sein jüdisches Denken wie seine Kenntnis
jüdischer Musik geprägt wurden, stand dort. Dazu kommt, dass das Gedenken an Weill in Dessau
zu DDR-Zeiten eher gering war. Und wieso sollte eine Stadt nicht einem ihrer größten Söhne
gedenken, auch wenn dieser die Stadt später verlassen hat?

Weill war kein Solitär. Bereits in der Weimarer Republik haben sich neben Weill andere
Komponisten wie etwa Ernst Krenek auf den Weg gemacht, populäre Idiome in ihre Musik
einzubeziehen, jeder auf seine Weise. Und wenn ich Weill aufführe und seinen neuartigen Berliner
Songstil demonstrieren will, müssen auch andere Aufbrüche der Musik des 20. Jahrhunderts in der
Breite der sie unternehmenden Komponisten verfolgt werden. Das gilt gleichermaßen für Weills
amerikanische Zeit und die dortigen Komponistenkollegen der 1930er und 1940er Jahre. Und dies
gelingt dem Kurt Weill Fest sehr gut.

Wir danken Herrn Dr. Schebera für das interessante und aufschlussreiche Gespräch!